Schiedsgutachten oder Adjudikation

 

Außergerichtliche Konfliktbewältigung

 

Es gibt wohl keine einzige Baumaßnahme, bei der es nicht, wenn auch nur in einzelnen Gewerken, zu Streitigkeiten kommt. Es hat sich auch schon herumgesprochen, dass Gerichtsverfahren sehr lange dauern, teilweise über mehrere Jahre verlaufen und der Ausgang eines Prozesses bis zum Schluss „in den Sternen“ steht. Das Interesse einen Prozess zu führen wird als letztes Mittel gesehen, die Fronten sind dann bereits verhärtet.

Folglich besteht auf allen Seiten Interesse an außergerichtlichen Verfahren, die besser zur Konfliktbewältigung geeignet sind.

Der im Schiedsverfahren angestrebte Vergleich: „man trifft sich in der Mitte“, ist oft, rational betrachtet, nicht nachvollziehbar, weil es dann nur darum geht, möglichst hohe Forderungen aufzustellen, ob diese nun berechtigt sind oder nicht, um dann bei einer 50 / 50-Lösung noch zu gewinnen.

Die seit langem eingeführten Verfahren wie Schiedsgutachten gemäß § 317 BGB oder Schiedsgerichtsverfahren oder Schlichtungen konnten sich nicht richtig durchsetzen. Als neueres Instrument wurde die Mediation geschaffen. Bei der Mediation soll der Mediator den Weg zeigen, die Parteien sollen aber die Lösung selbst finden. Die Mediation konnte sich in Deutschland jedoch bei Baustreitigkeiten nicht in dem erwarteten Umfang durchsetzen. Die Mediatoren, die die aufwendige und teure Zusatzausbildung abgelegt haben, „verhungern“. Hauptgründe für den Misserfolg sind, dass die Mediation ein Aufeinander Zugehen erfordert – was vorher schon nicht klappte – und letztendlich auch sehr zeitaufwändig ist.

 

Die in der britischen Bauwirtschaft bereits seit 1998 mit großem Erfolg praktizierten Adjudikationen, die zu einem erheblichen Rückgang der Gerichtsstreitigkeiten geführt haben, sollen nun auch in Deutschland umgesetzt werden. Unter Adjudikation versteht man ursprünglich die Entscheidung eines internationalen Gerichts, eines Schiedsgerichts, bei Streitigkeiten zwischen zwei Staaten. Die Parteien haben sich dem Urteil zu unterwerfen, das Urteil ist bindend.

Unter Adjudikation versteht man in Deutschland ein neues Modell, welches innerhalb des Baurechts zur Vermeidung langwieriger Bauprozesse eingeführt werden soll. Bereits im Arbeitskreis VII des Deutschen Baugerichtstages e.V. wurde eine entsprechende Empfehlung ausgesprochen. Auf Antrag einer Partei könnte dann mittels der Adjudikation eine schnelle Entscheidung zustande kommen, die aber durch ein Gericht überprüfbar wäre. Unter www.ao-bau.com kann die Adjudikationsordnung für Baustreitigkeiten eingesehen werden.

Zentrale Stelle beim Adjudikationsverfahren ist ein neutraler Experte oder auch ein Expertenteam, das die von den Parteien vorgetragen Streitpunkte binnen eines zeitlich begrenzten Rahmens vorläufig verbindlich entscheidet. Wenn die Parteien mit der Entscheidung des Experten nicht zufrieden sind und anschließend auch im gütlichen Wege keine Einigung zustande kommt, kann jede Partei die Streitigkeit noch gerichtlich klären lassen. Die Adjudikationsentscheidung ist so lange vorläufig bindend, bis eine verbindliche Konfliktentscheidung durch ein Gericht gefordert wird. Betrachtet man die Erfolge mit Adjudikationen in Großbritannien, so stellt sich die Frage, wieso man hier in Deutschland diesen Weg noch nicht gegangen ist.

 

Wie eine Adjudikation in Deutschland ablaufen kann, ist in der Adjudikationsordnung für Baustreitigkeiten (AO Bau) niedergelegt, siehe www.ao-bau.com.

Für alle diejenigen, die sich für das Thema weiter interessieren, ist unter www.ao-bau.com auch ein Muster eines Adjudikatoren-Vertrages wiedergegeben. Auch wenn die Adjudiktation in Deutschland noch nicht rechtskräftig eingeführt ist, ist zu überlegen, in den Bauverträgen Regelungen aufzunehmen, die sich an das Adjudikationsverfahren anlehnen.

 

Als Adjudikatoren kommen Bausachverständige mit rechtlichem Wissen in Frage, oder Juristen mit vertieften technischen Kenntnissen, oder aber es wird ein Team geschmiedet aus Bausachverständigen und Juristen, wie es derzeit bereits bei gerichtlichen Streitigkeiten gehandhabt wird: der Richter beauftragt einen Bausachverständigen, um die technischen Zusammenhänge erläutert zu bekommen.

 

Der Autor dieses kurzen Artikels, Herr Regierungsbaumeister Dipl. Bau-Ing. Bernd Ehrmann, die Sachverständigenkollegen aus Bau-Sach-Verstand sowie die Juristen, mit denen laufend zusammen gearbeitet wird, bilden das geeignete Team, Adjudikationsverfahren für sie erfolgreich durchzuführen.

 

München, den 15.11.2009: Regierungsbaumeister, Dipl.-Bauing. Bernd Ehrmann